Der Landbote: 25.06.2015

Im zweiten Jahr ihres Bestehens stand die Kesb Winterthur-Andelfingen gleich zweimal landesweit in den Schlagzeilen. In der Region gibt vor allem die Verteilung der Kosten zwischen Stadt und Land zu reden.

Als die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Winterthur-Andelfingen vor einem Jahr ihren ersten Jahresbericht vorlegte, wusste kaum jemand, was sich hinter der sperrigen Abkürzung Kesb verbirgt. Im vergangenen Jahr war die Kesb plötzlich in aller Munde und gleich zweimal waren die Scheinwerfer auf Winterthur gerichtet. Im Fall Hagenbuch im September wurde die Kesb von den Medien und der Gemeindepräsidentin Therese Schläpfer (SVP) für die sehr teure Betreuung einer eritreischen Familie mitverantwortlich gemacht. Noch höher gingen die Wogen beim Fall Flaach, als eine Mutter an Neujahr ihre zweijährige Tochter und ihren fünfjährigen Sohn tötete, weil sie angeblich vermeiden wollte, dass die Kesb diese erneut in ein Heim einweist.

Die Folgen der anschliessenden Kontroverse – die Kesb schreibt in der gestrigen Medienmitteilung von «massiven Vorwürfen in den Medien und Drohungen gegen Mitarbeitende» – hallen bis heute nach. Viele Klienten begegneten der Kesb misstrauischer oder weniger kooperativ, sagt Katharina Rüegg, Kommunikationsbeauftragte des Winterthurer Sozialdepartements. Das erschwere die tägliche Arbeit.

«Fremde Richter»

Misstrauisch gegenüber der Kesb sind aber auch manche Vertreter der 43 Landgemeinden, die sich mit Winterthur zusammengeschlossen haben. Der Unmut ist teilweise systembedingt. Anders als im alten Vormundschaftssystem wo Laiengremien in den Gemeinden über Massnahmen entschieden, haben Gemeindevertreter seit Einführung des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts weder Falleinsicht noch Mitsprachemöglichkeit. Bezahlen müssen sie die angeordneten Massnahmen trotzdem. Dass die wichtigen Entscheidungen in Winterthur gefällt werden, insbesondere seit der Schliessung der Aussenstelle in Andelfingen im letzten Jahr, passt nicht allen. Zwei SVP-Kantonsräte aus dem Weinland (Konrad Langhard, Oberstammheim, und Martin Zuber, Waltalingen) sehen die Winterthurer gar als «fremde Richter» und fordern für den Bezirk Andelfingen eine eigenständige Kesb; das Geschäft kommt demnächst vor den Kantonsrat.

Für Aufregung sorgt der Entscheid der Stadt Winterthur, den Kooperationsvertrag mit den Landgemeinden per Ende 2017 zu kündigen und neu auszuhandeln. Es geht dabei ums Geld. Denn bisher bezahlt die Stadt 60 Prozent der Kesb-Kosten von insgesamt knapp 7 Millionen Franken, Winterthur-Land zahlt 25 Prozent, der Bezirk Andelfingen 15 Prozent. Der Winterthurer Stadtrat will, dass künftig alle pro Einwohner gleich viel bezahlen. Das sei fair und üblich und würde die Winterthurer Stadtkasse um 330?000 Franken entlasten. Charmeoffensive gestartet

Um die Landgemeinden trotz solcher Pläne stärker ins Boot zu holen und Vorbehalte gegenüber der Kesb abzubauen, habe man den Kontakt und Kommunikationsfluss intensiviert, sagt Rüegg. Falleinsicht oder Mitsprache könne man den Gemeinden zwar nicht bieten, das verbiete das Bundesgesetz. «Aber wir setzen die Empfehlungen der Justizdirektion vom Mai 2014 vollständig um.» Will heissen: Man bezieht die Gemeinden bei Verfahren mit hohen Kostenfolgen möglichst frühzeitig mit ein.

Bei den Gemeindepräsidenten der Region ist die Kesb derzeit ein grosses Thema. «Einerseits auf der Ebene der direkten Zusammenarbeit zwischen den Behörden und andererseits im Zusammenhang mit den Verträgen zwischen der Stadt Winterthur und den Gemeinden», sagt Peter Matzinger (SVP), Präsident von Dinhard und vom Verband der Gemeindepräsidenten Bezirk Winterthur. Die Bemühungen der Kesb um eine bessere Kommunikation sei lobenswert, allerdings in den Gemeinden noch nicht spürbar. «Aber das ist ein laufender Prozess, den wir jetzt noch nicht beurteilen können», sagt Matzinger. Man überprüfe derzeit das «Konstrukt» Kesb und stelle auch Vergleiche mit anderen Bezirken an. Per Fragebogen können die Gemeinden bald ihre Erfahrungen mit der Kesb in die Diskussion einbringen.

Alle Zahlen überprüfen
Die angekündigte Vertragsauflösung der Stadt Winterthur per Ende 2017 sei kein Konflikt zwischen Stadt und Land, betont Matzinger. Man wolle die Kündigung nutzen, um Zahlen und Optionen zu prüfen – nicht nur im Bereich Kesb. «Der jetzige Kostenschlüssel ist aufgrund der damaligen Zahlen entstanden», erklärt er. Mit den neuen Erkenntnissen, welche die Arbeit der Kesb mit sich bringe, könne man die Zahlen nun überprüfen und die Verträge allenfalls ändern. «Jeder Vertragspartner kann seine Bedingungen neu stellen.» Das Ziel sei nach wie vor eine gute Zusammenarbeit mit der Stadt Winterthur.

Auch eine eigene Kesb für den Bezirk Andelfingen ist derzeit Gegenstand der Diskussion. Verschiedene Arbeitsgruppen würden sich damit befassen, sagt Martin Farner, Präsident von Oberstammheim und vom Verband der Gemeindepräsidenten Bezirk Andelfingen. «Wir haben einen Berater angestellt, der uns in dem wichtigen Prozess begleitet.» Man gehe da Schritt für Schritt vor. Die Bemühungen um eine bessere Kommunikation seitens der Kesb spüre man schon, sagt Farner. «Wir alle arbeiten daran.»