watson: 19.02.2015

Trotz der Sozial-Irrsinn-Kampagne haben die Hagenbucher klein beigegeben und das Gemeindebudget 2015 fast einstimmig abgesegnet. Die Revoluzzer-Stimmung ist verflogen.

An der zweiten Gemeindeversammlung zum Thema Budget in Hagenbuch klafften grosse Lücken in den Stuhlreihen im Gemeindehaus. Niemand musste mehr stehen, die Gesichter waren wieder lang wie üblich, die Revoluzzer-Stimmung war endgültig verflogen.

«Es geht um Widerstand», hiess es noch im Dezember. «Wir müssen ein Zeichen setzen!», entrüsteten sich die Hagenbucher. Zwei Monate später ist es damit vorbei. Die Gemeinde braucht ein Budget fürs neue Jahr. Sollte die Versammlung dieses erneut ablehnen, droht der Gemeinde die Bevormundung durch den Bezirk Winterthur.

Es ging damals im Dezember nicht unbedingt um das Budget und die Steuererhöhung von sechs Prozent, als die Bürger in heller Aufregung mit 82 zu 52 Stimmen Nein sagten. Es ging eher um die hohen Kosten für die soziale Wohlfahrt, die durch eine eritreische Flüchtlingsfamilie und die Massnahmen der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) entstanden waren. Gemeindepräsidentin Terese Schläpfer vom kleinen Hagenbuch beklagte sich daraufhin medienwirksam über die hohen Kosten für die Gemeinde, die sie zunächst ein bisschen höher trickste.

Rächt sich heute die Hagenbucher «Sozial-Irrsinn»-Kampagne?
Der letzte und schlechteste Akt der Hagenbucher «Sozial-Irrsinn»-Kampagne
Dass die KESB seit einiger Zeit heftig in den Medien diskutiert und kritisiert wird, sieht man deshalb in Hagenbuch als eigenen Verdienst: «Wir konnten mit unserem Nein eine Debatte auslösen. Zuvor wusste ja niemand, was da in den Gemeinden los ist», sagt Gemeindepräsidentin Schläpfer.

«Wir hatten ja keine andere Wahl»
Auch die Hagenbucherin Regina Diem meint: «Unser Nein hat die Medien auf das Thema aufmerksam gemacht.» Heute habe sie wohl oder übel zustimmen müssen: «Wir hatten ja keine andere Wahl», sagt sie. Also nahmen die Hagenbucher mit 72 zu einer Stimme das Budget und damit die Steuererhöhung an. «Wir hatten ja in den Jahren zuvor die Steuern ständig gesenkt», räumt Hagenbucher René Peter ein.

Steuerfuss_hagenbuch

Der Meinungsumschwung ist nicht nur den beruhigten Gemütern zu verdanken. Gemeindepräsidentin Terese Schläpfer vermied es am Donnerstag tunlichst, die eritreische Flüchtlingsfamilie zu erwähnen und präsentierte mit frischen Grafiken den positiven Effekt auf die Gemeindefinanzen durch die Steuererhöhung: «Wenn wir jetzt mit den Steuern hoch gehen, erhalten wir auch wieder mehr aus dem Finanzausgleich», betonte sie. Und vermied es dennoch nicht zu erwähnen, dass der Steuerfuss tiefer bleiben könnte, wenn die hohen Sozialkosten nicht wären.

Wohl deshalb zeigte sich der einzige Hagenbucher, der die Anträge des Gemeinderats ablehnte, enttäuscht. «Meine ehrliche Meinung? Es gab viel Aufrieb und viele Diskussionen – geblieben ist nichts.»