Die Partei nutzt den Fall Flaach, um die professionellen Vormundschaftsbehörden anzugreifen – obwohl sie diese bis vor kurzem unterstützte.
Die SVP vergleicht die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) mit der Stasi, dem berüchtigten Staatsschutz der DDR. Wie dieser entmündige die Kesb Bürger und fordere zu Denunziationen auf, sagte SVP-Nationalrat Alfred Heer am Donnerstag an einer Pressekonferenz.
Grund für die Kritik an der «Willkür- und Versagerbehörde» ist der Fall Flaach. Am 1. Januar tötete eine Mutter ihre zweijährige Tochter und ihren fünfjährigen Sohn, weil sie nicht wollte, dass diese von der Kesb erneut in ein Heim versetzt worden wären.
Bei den professionellen Vormundschaftsbehörden bündle sich zu viel Macht, sie würden zu schwach kontrolliert, sagten Heer und andere SVP-Politiker. Wenn die Kesb nach einer Gefährdungsmeldung einschreite, könnten sich Betroffene kaum mehr wehren. Ein rechtsstaatliches Verfahren werde nicht gewährt. Die Behörden seien zu weit entfernt von den Leuten, würden die betroffenen Menschen zu wenig gut kennen. Die Kesb habe keine Verbesserung gebracht, viele Gemeinden fühlten sich ausgebootet.
Kesb Winterthur soll aufhören
Die SVP will deshalb die Kesb in heutiger Form zerschlagen und den Gemeinden wieder mehr Macht geben. Damit korrigiere sie einen eigenen Fehler, sagte Heer. Auch die SVP (und mit ihr Alfred Heer) stimmte 2008 in den nationalen Räten für die Professionalisierung der Vormundschaftsbehörden, aus der die Kesb hervorgingen. «Nun geht es darum, diesen Irrtum in Bern rückgängig zu machen und die bewährte Tradition der Laienbehörden wieder aufzunehmen.» Auch diese hätten nicht immer perfekt gearbeitet. Die Fehler seien aber Einzelfälle geblieben, während sie bei den Kesb im System lägen.
Falls die Abschaffung auf Bundesebene nicht gelingt, versucht die SVP, den Kesb auf kantonaler Ebene engere Grenzen zu setzen. Gemeinden sollen mehr Mitspracherecht bekommen, auch demokratisch gewählte Laien sollen in den Gremien einsitzen und nicht nur Menschen aus der «linksverfilzten Sozialindustrie». Die SVP will ausserdem die Vorfälle in Flaach untersuchen lassen. Bis die Resultate vorlägen, müsse die verantwortliche Kesb Winterthur-Andelfingen ihre Arbeit einstellen. «Sonst passieren noch weitere schwere Fehler», sagt Heer.
Grüne: «Übelste Demagogie»
Die Grünen bezeichnen den Stasi-Vergleich als «übelste Demagogie». Eine Rückkehr zur alten Organisation sei so «unsinnig wie undenkbar», schreiben sie in einer Mitteilung. Der damalige SVP-Bundesrat Christoph Blocher habe die Kesb aus gutem Grund geschaffen: Viele kleine Gemeinden hätten bis dahin den Kinderschutz vernachlässigt, um Geld zu sparen. Bei den Kindsmorden in Bonstetten (2010) und Niederhasli (1997) hätten die lokalen Behörden klare Hinweise auf Misshandlungen übersehen.
Auch der Regierungsrat bezeichnet die Umstellung in einer Mitteilung als Erfolg. Gerade haben verschiedene Fachleute die zweijährige Tätigkeit der neuen Vormundschaftsbehörden beurteilt. Dabei kamen sie zum Schluss, dass sich die «Qualität des Kindes- und Erwachsenenschutzes» verbessert habe. Die Kosten seien – über alle Gemeinden gerechnet – nicht angestiegen. Die 13 Kesb bearbeiten insgesamt über 10’000 Fälle. Die Belastung des Personals sei hoch, trotzdem hätten kaum Angestellte gekündet.
Gemeinden können nun mitreden
Der Schweizer Städteverband (SSV) setzt sich ebenfalls für die Kesb ein. Das neue System funktioniere insgesamt gut, heisst es in einer Mitteilung. SSV und Regierungsrat sind aber dafür, die Zusammenarbeit zwischen Kesb und Gemeinden zu verbessern. Ein erster Schritt dazu sei bereits getan. Wenn eine Kesb Unterbringungen beschliesst, die für die betroffenen Gemeinden sehr teuer kommen, können diese seit kurzem mitreden. In den ersten drei Monaten haben laut Regierungsrat 38 Gemeinden diese Möglichkeit genutzt. Nur eine wehrte sich gegen die Kesb-Lösung.