NZZ,18.12.2014

Die Heimplacierungen mehrerer Kinder einer Familie aus Hagenbuch hatten im September für Schlagzeilen gesorgt. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde will nun, dass gehandelt wird.

Hagenbuch hat im öffentlich gewordenen Fall einer kinderreichen Familie aus Eritrea, die in der Gemeinde wohnt, ihre Pflichten nicht ausreichend wahrgenommen. Dieser Ansicht ist die zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Winterthur-Andelfingen. Sie hat deshalb beim Bezirksrat eine Aufsichtsanzeige eingereicht, wie sie am Donnerstag in einem Communiqué mitgeteilt hat.

Mit Steuererhöhung gedroht
Hagenbuchs Gemeindepräsidentin Therese Schläpfer (svp.) hatte sich im September medienwirksam über die hohen Ausgaben beschwert, welche die Betreuung einer Flüchtlingsfamilie verursache. Monatlich 60 000 Franken sollen die sozialpädagogische Familienbegleitung und die Placierung von vier der sieben Kinder in Heimen die Gemeinde kosten. Die Vorwürfe der Gemeindepräsidentin gingen dabei klar an die Adresse der Kesb: Sie habe die Heimplacierungen der vier Kinder ohne Wissen der Gemeinde angeordnet, bezahlen müsse es aber Hagenbuch. Dies stimmt so nicht. Vielmehr war im vorliegenden Fall lediglich ein Kind durch die Kesb in ein Heim placiert worden, und diese Kosten übernimmt fast vollumfänglich der Kanton. Eine Placierung in ein Schulheim, wie dies bei drei Kindern der eritreischen Grossfamilie der Fall ist, wurde durch die Schulbehörde, also die Gemeinde, angeordnet. Die Kosten müssen auch durch diese getragen werden und können entsprechend einen Einfluss auf die Steuern haben. Das verschwieg Schläpfer.

Sie beantragte an der Gemeindeversammlung vom 10. Dezember eine Steuererhöhung um 6 Prozent, die aber mitsamt Budget abgelehnt wurde. Dass die Steuern steigen sollen, hat aber offensichtlich auch andere Gründe. Wie Gemeindeschreiber Stefan Rüegg sagte, hätte die Gemeinde die Steuern auch ohne die Kosten für die Flüchtlingsfamilie erhöhen müssen. In den nächsten Monaten wird Hagenbuch über einen neuen Voranschlag des Gemeinderats abstimmen müssen. Wird dieser erneut abgelehnt, muss der Bezirksrat einschreiten und Budget sowie Steuerfuss festlegen.

Schwierige Zusammenarbeit
Nach Ansicht der zuständigen Kesb Winterthur-Andelfingen braucht das 1000-Seelen-Dorf Hagenbuch konkrete Unterstützung bei der Bewältigung der Gemeindeaufgaben, insbesondere bei der Integration von Ausländern und Ausländerinnen und bei der Leistung von persönlicher und wirtschaftlicher Hilfe nach Sozialhilfegesetz. Zudem kritisiert die Kesb, dass der Gemeinderat in wesentlichen Teilen nicht den Tatsachen entsprechend informiert habe und auch keine Bemühungen unternommen habe, korrigierend auf die Berichterstattung einzuwirken. «Insbesondere wurde nicht richtiggestellt, durch wen die Heimeinweisungen verordnet wurden und dass nur die Kosten für die Placierung in Schulheime durch die Gemeinde getragen werden.» Der Bezirksrat wird ersucht, die Gemeinde anzuweisen, dies gegenüber der Öffentlichkeit richtigzustellen.

Im Weiteren seien die Persönlichkeitsrechte der eritreischen Familie, insbesondere die der Kinder, durch die Kommunikationspolitik der Gemeinde wiederholt verletzt worden. Die Kesb appelliert an den Bezirksrat, Hagenbuch habe das Amtsgeheimnis nicht zu verletzen. Man habe die Gemeinde Hagenbuch wiederholt auf die in der Kritik stehenden Punkte aufmerksam gemacht, sagt Karin Fischer, Präsidentin der Kesb Winterthur-Andelfingen. Trotz mehreren Gesprächen mit der Gemeindepräsidentin habe eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Gemeindebehörde nicht stattfinden können, moniert Fischer.

Allerdings sei die Anzeige lediglich ein Rechtsbehelf; damit werde der Bezirksrat als Aufsichtsbehörde der Gemeinden auf die Hagenbucher Situation aufmerksam gemacht. Sollte der Bezirksrat feststellen, dass Gesetzes- und Pflichtverletzungen vorgekommen sind, muss er mit den zur Abhilfe geeigneten Mitteln einschreiten, wie die Juristin sagt. Schläpfer wehrt sich gegen die Vorwürfe der Kesb, in der Gemeinde laufe «alles gut mit den Ausländern, nur nicht mit der Familie aus Eritrea».

Bei der Anzeige vonseiten der Kesb handelt es sich um ein Novum. Ruedi Winet, Präsident der Kesb-Präsidien-Vereinigung, bestätigt, dass seit Einführung der Behörde vor zwei Jahren sich keine Kesb zu einem solchen Schritt entschieden habe. «Das Vorgehen der Gemeindepräsidentin ist aber auch aussergewöhnlich», ergänzt er. Bis anhin sei lediglich über die Möglichkeit einer Beschwerde diskutiert worden, wenn eine Gemeinde eine angeordnete Massnahme nicht habe finanzieren wollen. «Grundsätzlich sucht die Kesb aber andere Lösungsmöglichkeiten», betont Winet.

NZZ,18.12.2014