Rund 60.000 Franken, also knapp 50.000 Euro, belasten die Schweizer Gemeinde Hagenbuch jeden Monat. Kein Kredit und auch kein teures Bauvorhaben verursachen die Kosten, sondern eine einzige Familie. Die Gemeinde zahlt für sie horrende Betreuungssummen – mitreden darf sie nicht, so will es das Gesetz.
Therese Schläpfer hatte als Gemeindepräsidentin die Finanzen von Hagenbuch im Griff – bis acht Menschen den ausgeglichenen Haushalt des 1085-Seelen-Dorfs in der Schweiz durcheinander brachten. Eine Flüchtlingsfamilie aus Eritrea belastet die Gemeindekasse jeden Monat mit etwa 60.000 Franken. Was dabei stutzig macht, ist nicht, dass die Familie unterstützt wird. Das ist notwendig und gut. Das Problem ist, dass die Gemeinde zahlen muss. Ohne dass sie Einfluss darauf hat, welche Maßnahmen getroffen werden – und wie viel sie kosten.
Sozialhilfe, Betreuer, Kinderheim
Vor drei Jahren bezog die Familie mit sieben Kindern eine Vier-Zimmer-Wohnung in Hagenbuch, sie bekam ein fünfjähriges Bleiberecht mit Verlängerungsoption und eine Arbeitserlaubnis. Außerdem hat sie Anspruch auf Sozialhilfe: Etwa 4000 Franken zahlt die Gemeinde monatlich für Miete und Lebensunterhalt.
Nach einigen Monaten wurde die Großfamilie zunehmend zur finanziellen Belastung für Hagenbuch. Die Integration scheiterte, der Vater verließ die Familie und lebt in Winterthur ebenfalls von Sozialhilfe, die Mutter wurde mit ihren sieben Kindern nicht mehr alleine fertig.
9000 Franken für einen Heimplatz
Vier der Kinder leben heute laut Therese Schläpfer im Schullandheim, die restlichen werden zuhause von Sozialpädagogen betreut. Laut Berechnungen der Schweizer Tageszeitung „Blick“ kostet ein Heimplatz die Gemeinde 9000 Franken im Monat, macht insgesamt 36.000 Franken. Die Betreuer, die sich um die Kinder kümmern, schlügen nochmal mit gut 20.000 Franken zu Buche. Schläpfer wollte die Kosten nicht in diesem exakten Umfang bestätigen, nannte die Aufstellung im Gespräch mit FOCUS Online aber schlüssig.
Steuererhöhungen oder Verschuldung?
Für Hagenbuch im Kanton Zürich heißt das: Ungefähr 700.000 Franken, also rund 580.000 Euro jährliche Mehrbelastung. Laut Schläpfer erlöste die Gemeinde im letzten Jahr insgesamt 6,2 Millionen Euro, die Aufwendungen lagen 200.000 Euro darüber. Um dieses Minus aufzufangen, sei eine Steuererhöhung nötig. Im Dezember will die Gemeindeversammlung darüber abstimmen.
„Der Betreuungsaufwand bei dieser Familie überspannt den Bogen“, sagt Schläpfer zu FOCUS Online. Doch ihr Ärger richtet sich nicht gegen die Familie. „Unsere Dorfbewohner und auch ich stellen das System stark in Frage“, so die Gemeindepräsidentin. „Ein Babysitter muss nicht 136 Franken pro Stunde bekommen.“
Die Gemeinde ist machtlos
In Auftrag gab die Maßnahmen nicht etwa die überforderte Mutter. Auch nicht die Gemeinde, die zahlt – sondern die zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) in Winterthur. Die hat für die Betreuung der Familie aus Eritrea die Pflegefirma SolidHelp engagiert.
Im Kanton Zürich gibt es 13 KESBs, die jeweils für mehrere Gemeinden zuständig, aber in ihren Entscheidungen eigenständig sind. Zur Behörde in Winterthur gehören neben Hagenbuch noch 42 weitere Kommunen. Die regional organisierten Behörden ersetzen auf Beschluss des Bundes seit dem 01.01.2013 die Vormundschaftsbehörden der Kantone.
Dort kümmerten sich damals noch gewählte Gemeindevertreter ehrenamtlich um Hilfsbedürftige, suchten nach günstigen Lösungen wie Nachbarschaftshilfe. „Wenn sich herausstellte, dass man geschultes Personal braucht, konnte man das immer noch einstellen“, sagt Schläpfer, das System habe gut funktioniert.